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Galeriegespräch

Landscape in my mind #1

von | 23. April 2015

Letztes Wochenende war es also soweit. Endlich genehmigte ich mir genügend Freiraum, erwartungsvoll und sehnsüchtig die Ausstellung Landscape In My Mind im Kunstforum Wien zu besuchen. Eine echte Inspiration, wie sich herausstellte. Und weil die Facetten so mannigfaltig sind, schreibe ich hier im Blog nicht nur einen Artikel darüber, sondern eine Serie mit insgesamt drei Teilen.

Kuratiert hat die Ausstellung Florian Steininger. Nur mal kurz zum zeitlichen Aspekt dieser Zunft: Steininger hat etwa ein Jahr lang an dieser Ausstellung gearbeitet. Wen wundert’s bei den ganzen Details, mit denen sich ein Kurator beschäftigen muss, etwa Künstler finden, Werke aussuchen, Transport, Versicherung, Umgang mit Urheberrechten, räumliche Rahmenbedingungen, Art der Präsentation, Lichtsetzung, von der Budgeterstellung über das Marketing bis hin zum Controlling und den Arbeiten nach Ende der Ausstellung gar nicht zu reden.
Die Ausstellung

Landscape In My Mind zeigt die Werke von 17 unterschiedlichen Künstler/innen, von denen alle, bis auf einen, noch leben. Die Ausstellung vereint namhafte Größen zeitgenössischer Fotografie wie Axel Hütte, Thomas Ruff, Elger Esser, Thomas Struth oder Andreas Gursky mit weniger bekannten Künstlerinnen und Künstlern.

Das Ausstellungskonzept hätte sich erst im Laufe des Kuratierens so richtig heraus kristallisiert, verriet Steininger. Die Ausstellungsräume des Museums hat er nach verschiedenen Landschaftsthemen aufgeteilt z.B. Großstadt, Meer, Mühlviertel, Weltall, Berge etc. Wie kam das Thema zustande? Steininger hat das Thema Landschaft in der zeitgenössischen Fotografie mit dem Titel Landscape in my Mind gewählt, weil er eine kleine Reisroute zusammenstellen wollte, eine kleine Reise im Kopf, von der man sich beim Betrachten der Bilder inspirieren lassen kann.

„Die wahre Landschaft ist im Kopf“, schrieb der Kulturwissenschafter und Ethnologe Orvar Löfgren in Topos, einem europäischen Landschaftsmagazin (siehe European Landscape Magazin, H.6/1994, S. 6-14). Mit dieser pointierten Formulierung bringt Löfgren – im wahrsten Sinne des Wortes ein „alter Schwede“ – zum Ausdruck, dass die Landschaft weniger in der „Welt da draußen“ liegt, als vielmehr „im Auge des Betrachters“, erfahren wir im Ausstellungsbuch, herausgegeben von Kurator Steininger und Ingrid Brugger. Und weiter: Denis Cosgrove, Geograf und außerdem ein Vorreiter der sozial- und kulturgeografischen Landschaftsforschung, stellt fest: „Landschaft ist nicht einfach die Welt, die wir sehen, sie wird vielmehr durch die Art und Weise, wie wir die Welt betrachten, konstruiert oder komponiert“.

Viele der gezeigten Bilder sind ausgesprochen großformatig. Bis in die 1970er-Jahre betrachtete man die Fotografie weniger als Bild an der Wand, sondern eher als Fotoalbum. Jeff Wall war der Erste, der großformatige Farbaufnahmen in Leuchtkästen präsentiert hat, um der Fotografie einen Tableau-Charakter zu verleihen. Im schon erwähnten Ausstellungsbuch heißt es dazu:

„Bei diesen großformatigen Aufnahmen muss man so richtig in das Werk eintauchen, um verschiedene Details zu erkennen. Man muss seinen Blick im Bildfeld bewegen, man springt von einem Bildobjekt zu einem anderen, man muss sich wesentlich aktiver im Bild bewegen.Der Betrachter nimmt dadurch eine neueRolle ein. Viele der Fotografen bezeichnen ihre Arbeiten nicht mehr als Fotografien sondern als Tableaus (Gemälde). Wenn man durch die Ausstellung geht, erkennt man, dass viele der Arbeiten keine Fotos im eigentlichen Sinn mehr sind, sondern mit der Kamera gemalte Bilder. Das große Format ist übrigens ein Merkmal der Düsseldorfer Fotoschule“.

Die Düsseldorfer Photoschule und „die Bechers“

Viele der Künstlerinnen und Künstler, die ihre Werke zu Landscape in my Mind beisteuern, stehen in der Tradition der Düsseldorfer Photoschule und sind von Bernd Becher ausgebildet. Bernd Becher hatte dort zwischen 1976 bis 1996 eine Professur für Photographie inne. Kurz zur Vorgeschichte: Das Ehepaar Bernd und Hilla Becher beginnt Ende der 1950 Jahre Industriebauten (Fördertürme, Wassertürme etc.) in der Gegend um Düsseldorf und im Ruhrgebiet aufzunehmen. Diese Industriebauten werden von ihnen in einer ganz speziellen Art und Weise aufgenommen: Die Fotografien haben eine Größe von ca. 30 x 40mm, sind schwarzweiß, bei diffusem Licht aufgenommen, und das Bildobjekt befindet sich in der Mitte und der Horizont im unteren Teil des Bildes. Die Bilder weisen aufgrund des diffusen Lichts keine Schatten auf. Auf den Bildern sind keine Wolken, keine starken Schatten, keine malerischen Stimmungen, keine Szenerie, keine Menschen oder Tiere etc. zu sehen. Die Bilder sind in einer neutralen, dokumentarischen Art aufgenommen. Die Bilder werden dann zu sogenannten Typologien mit neun, zwölf oder fünfzehn Bildern zusammengefasst. Und diese Art der Fotografie bildet auch den Ausgangspunkt des Werks vieler seiner Schüler.

bernd-hilla-becher-blast-furnaces-3Quelle: http://c4gallery.com/artist/database/bernd-hilla-becher/becher-blast-furnaces.html [abgerufen am 15. 4. 2015].

Die Düsseldorfer Photoschule hat einige künstlerische Kapazunder hervor gebracht, neben den Begründern, den Bechers, auch Laurenz Berges, Elger Esser, Andreas Gursky, Candida Höfer, Axel Hütte, Simone Nieweg, Thomas Ruff, Jörg Sasse, Thomas Struth und Petra Wunderlich.

„Das Label Becherklasse oder der Düsseldorfer Schule steht, auch im Hinblick auf die folgende Generation der Klassenmitglieder, für eine objektivierende photographische Sichtweise aus einer gewissen Distanz, die sich von dem journalistischen oder sich einer freieren Bildsprache bedienenden dokumentarischen Praktiken anderer deutscher Photographinnen und Photographen deutlich unterscheiden. In den 1990er Jahren gilt die Düsseldorfer Schule nach außen hin, in der Kontinuität der Neuen Sachlichkeit (Neues Sehen), gar als ein Synonym für die deutsche Fotografie schlechthin“.

Uta Grosenick/ Thomas Seelig (Hrsg.), 2007. Photo Art. Fotografie im 21. Jahrhundert, S. 485.

Raum Metropolis

Thomas Struth (geb. 1954 in Geldern, Deutschland)
Im Unterschied zu anderen Becher-Schülern wie Andreas Gursky oder Thomas Ruff lehnt er eine digitale Bearbeitung seiner Bilder weitgehend ab. Im Stile von Brangelina (Komposition aus den Namen von Brad Pitt und Angelina Jolie) haben hie drei erfolgreichen Becher-Schüler Thomas Struth, Thomas Ruff und Andreas Gursky übrigens in Amerika den Spitznamen Struffsky. Struths Oeuvre besteht aus verschiedenen Werkserien. Am bekanntesten sind seine Aufnahmen von Innenräumen wie Kirchen oder Museen und ihren Besuchern, Porträts sowie fast immer menschenleeren Straßen und Stadtlandschaften. Struth wählt die Orte, die er fotografiert, präzise aus, und der Zeitpunkt der Aufnahme spielt für ihn ebenfalls eine entscheidende Rolle. Von allen Becher-Schülern folgt Struth am stärksten dem Konzept seines Lehrmeisters.

Hier habe ich nun einige Bildbeispiele für euch analysiert und die Informationen aus dem Ausstellungsbuch zusammen gefasst:

struth-limaCerro Morro Solar, Lima 2003. Quelle: http://thomasstruth32.com/smallsize/photographs/unconscious_places_2/index.html [abgerufen am 15. 4. 2015].

Das Großformatbild aus der Serie Unbewusste Orte 2 zeigt Cerro Morro Solar in Lima, Peru. Das Farbspektrum der Häuser gleicht jenem des Bodens, und nur vereinzelt blitzen ausgewaschene Farben auf. Im Hintergrund sehen wir eine Anhöhe, auf der zahlreiche Fernsehmasten und Antennen stehen. Das Bild wirkt menschenleer, lediglich ein paar Wäscheleinen lassen uns soziales Leben und Bewegung erahnen. Struth fasziniert die anonyme Architektur, die wie aus einem Guss wirkt. Sie ist das Abbild einer langen Kolonialgeschichte, die keine historisch gewachsene Bausubstanz hat entstehen lassen.

Struths Bild wirkt wie eine Weltlandschaft. Der kunsthistorische Begriff Weltlandschaft wird von der Wissenschaft bzw. auch von Künstlern der Gegenwart oft verwendet, um eine bestimmte Landschaftsdarstellung bzw. einen bestimmten Landschaftstypus zu beschreiben.

Wenn wir von Weltlandschaft sprechen, so wird die Landschaft allein als bildwürdiges Thema begriffen, das beim Betrachter Gefühle wie Hoffnung oder Sehnsucht hervorrufen soll. Diese emotionalisierte Naturabbildung spielte eine wesentliche Rolle bei der Beschreibung bzw. Definition der ersten Weltlandschaften.

Charakteristisch für den Typus Weltlandschaft ist,dass man von einem erhöhten Standpunkt, über eine weite Landschaft blickt wo sich sehr viele kleine Dinge abspielen und viele kleine Details erkennbar sind.

struth-shanghaiPudong, Shanghai 1999. Quelle: http://www.mariangoodman.com/exhibitions/2003-11-08_thomas-struth/ [abgerufen am 15. 4. 2015].

Pudong, Shanghai ist Teil der Serie Cities, die zwischen 1999 und 2002 entstanden ist. Struth hat China mehrmals besucht und sich – wie nicht anders zu erwarten – intensiv mit der kulturellen und politischen Geschichte des Landes beschäftigt. Dieses Foto zeigt Büro-Hochhäuser, die wirken, als seien sie zack-zack aufgebaut worden, neben unverbauter Rasenfläche. Der Hochnebel liegt noch über der Stadt und lässt uns erahnen, dass es sehr zeitig in der Früh ist. Das Areal erscheint menschenleer. Struth thematisiert hier die „radikale Entmischung urbanen Lebens“. Arbeiten, Wohnen, Schlafen und Konsumieren sind strikt getrennt. Jene Gebäude, in denen gearbeitet wird, werden folglich während der Nicht-Arbeitszeit zu einem Geisterort.

Raum Walk Work

Hamish Fulton (geb. 1946 in London)
Hamish Fulton stellt bei dieser Ausstellung eine Art Zwischenposition dar, und zwar zwischen der dokumentarischen Fotografie und der Fotografie von jenen Fotografen, die verreisen, um explizit ein Foto zu machen. Seine Aufnahmen sind schwarzweiß gehalten und zumeist seriell angeordnet.

Hamish Fultons Leitsatz seit den frühen 1970er Jahren lautet: „No walk, no work”. Die Aktion der Wanderung ist die Kunst an sich. Fulton distanziert sich damit von den Positionen der Land Art Künstler wie etwa Michael Heizers, Richard Longs oder Robert Smithsons. Fultons Arbeiten sind „walkworks“ – das Gehen in der Landschaft versteht er als spirituell pantheistischen Akt.

Diese „walkworks“ funktionieren so, dass Fulton mit Leuten ganz langsam spazieren geht und die Landschaft auf sich wirken lässt. Die hier gezeigten Bilder, die mit einer Kleinbildkamera aufgenommen wurden, begleiten Fulton auf einer Wanderung durch Alaska. Auf der einen Seite sind seine Bilder eine Dokumentation, das er wirklich vor Ort war, und auf der anderen Seite sind es sehr stimmungsvolle Aufnahmen. Seine Bilder werden um weitere Informationen zu denWanderungen ergänzt, die er unter das Bild schreibt. Er erwähnt etwa, Tiere, die er dort gesehen, Begebungen, die er dort gehabt, oder Stimmungen die er empfunden hat etc. Text und Fotografie dokumentieren die Aktionen.

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rmu-61Quelle: https://www.mumok.at/de/alaska [abgerufen am 15. 4. 2015].

So, ihr Lieben. Das war jetzt mal richtig viel „Stoff“, der erst mal absitzen muss, bevor wir uns den nächsten Themen der Ausstellung zuwenden.

Fortsetzung folgt!

HELMUT DENK

Helmut ist im Zivilberuf Projektmanager. Na ja, dort kann er seine künstlerische Ader nicht so ergiebig ausleben. Deshalb genießt er es umso mehr, mit der Kamera in der Hand spazieren zu gehen, Motive zu entdecken, zu fotografieren und die Fotos – detailgenau wie er nun mal ist – dann mittels Bildbearbeitung zu verfeinern. Eine Haarsträhne, die blöderweise quer ins Gesicht rein hängt, in Photoshop pixelgenau weg zu „stempeln“? Nicht verzagen, Helmut fragen!

2 Kommentare

  1. Lieber Helmut, ich freu mich schon auf die Fortsetzung in dieser Bilder-Geschichte.

  2. Hallo Helmut,

    nachdem ich die Ausstellung gemeinsam mit Gottfried gesehen habe, ist es für mich überaus spannend, deine Recherchen und Hintergrundinformationen dazu nachzulesen. Auch ich freue mich schon auf die Fortsetzung.

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