Atacama
Peru | Reisefotografie

Knietief im „Gatsch“

von | 9. August 2015

Wer von euch hat die Schnauze von Stimmungsbildern noch nicht voll?

Ich weiß, dass die meisten von euch schon so viele Sonnenuntergangsbilder gesehen haben und die ganzen Stimmungsfotos nicht mehr sehen können! Trotzdem poste ich jetzt dieses Bild, da es schon aufgrund der Umständ,e wie es entstanden ist, einfach gepostet werden muss.

Vorgestern habe ich mich sehr spontan entschieden, einen Abstecher in den tieferen Dschungel zu unternehmen, da ich ein kurzes Werbevideo für die Homepage brauche, an der ich gerade arbeite. Ich habe mich für den Lago Sandoval entschieden, da ich dort Riesenotter und Kaimane sehen und fotografieren kann.

Also stand ich in der Früh da, bewaffnet mit einem Moskito Spray, Sonnencreme (die ich, wie ich später feststellen musste, nicht ausreichend verwendet habe) und überlegte mir, was ich denn wohl alles an Ausrüstung mitschleppen sollte.

Also die große Vollformatkamera war logisch. Da es um das Fotografieren von Tieren ging, die unter Umständen relativ weit weg sind, musste ich auch nicht lange über das Teleobjektiv nachdenken. Beim Weitwinkel wurde es dann schon schwieriger, da ich es ja eigentlich nicht brauchte für das, was ich vorhatte. Doch geht man wirklich ohne ein Weitwinkelobjektiv aus dem Haus? NEIN!

Dann war noch klar, dass ich eine Action-Kamera brauchte, da sich vielleicht interessante Perspektiven für das Video ganz nahe an der Wasseroberfläche ergeben würden. Mit der Vollformatkamera würde ich mich da nicht mehr wohlfühlen. Ersatzakkus, Filter, Speicherkarten und diverses anderes Zubehör darf natürlich bei so einem Ausflug auch nicht fehlen.

Als ich dann versuchte, all meine Sachen in meinen 5-Liter Dry Bag zu packen, habe ich das erste Mal geflucht. Ich empfehle jedem, der in den Dschungel geht um dort zu fotografieren, sich einen Dry Bag zuzulegen … und vielleicht beim Einkaufen schon eine Größe zu wählen, mit der man dann nicht sofort an seine Grenzen stößt – mindestens 10 Liter.

Nachdem ich seit jeher sehr gern gepuzzelt und scheinbar meine Fähigkeiten noch nicht ganz verlernt habe, schaffte ich es dann doch noch, alles in den Dry Bag zu stopfen und ihn sicher zu verschließen – dachte ich zumindest

Das zweite Mal geflucht habe ich, als es um meine Wasservorräte für den Tag ging, denn der Dry Bag war ja schon verschlossen. Der Durst ist sicher größer als die Hitze, dachte ich mir, und entschied ich mich schließlich noch für die lange Hose. Nachdem mein Guide nun schon 20 Minuten auf mich gewartet hatte, ging es endlich los.

Nach einer längeren Bootsfahrt den Madre de Dios flußabwärts in Richtung Bolivien, legten wir an, und machten uns auf den Weg in den Dschungel. Zuhause war ich optimistisch: Eineinhalb Stunden gemütlich durch den Dschungel spazieren ist doch kein Problem. Diese Einschätzung war auch einer der Gründe, warum ich mich FÜR das zusätzliche Gewicht des Weitwinkelobjektivs entschieden hatte. Was ich dabei nicht bedacht habe: Es war gerade Regenzeit in Peru.

Außerdem werde ich zukünftig, wenn ein Guide etwas in einer mir nicht verständlichen Sprache sagt, googeln, WAS das bedeutet. „Muuuucho barro!“, ist nichts, auf das hin man nur nickt und lächelt!

Also stapften wir eineinhalb Stunden durch knöchelhohen Matsch. Da kam dann irgendwann der Zeitpunkt, an dem ich das dritte Mal an diesem Tag fluchen musste. Das zusätzliche Gewicht in meinem Dry Bag und die langen Hosen, die ich aufgrund gewisser Ausrüsstungs-Fehlentscheidungen trug, waren nichts was die „Reise“ durch den Schlamm leichter machte.

Schlussendlich sind wir dann beim Lago Sandoval angekommen. Wir konnten in ein kleines Kanu umsteigen, um damit über den See zu paddeln und von dort aus die Natur und alle möglichen Tiere zu beobachten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mein ganzes Fluchen wieder vergessen, da es unbeschreiblich schön war … auch wenn die lange Hose nicht zur Abkühlung unter der herunterballernden Sonne beitrug.

Am Mittag gingen wir an Land, um unser wohlverdientes Mittagessen zu genießen, das irgendjemand zuvor mit durch den Schlamm getragen haben muss, da jegliche motorisierten Fortbewegungsmittel im Reservat verboten sind. Danach haben wir Siesta gemacht, um wieder fit zu sein für die Rückreise.

Am Nachmittag haben wir dann doch einige Riesenotter gesehen. Wir hatten Glück, dass sie nicht sofort abgehauen sind als wir uns ihnen näherten. Somit hatte ich genügend Zeit, um einige sehr schöne Fotos von dieser vom Aussterben bedrohten Tierart zu ergattern.

Wir erlebten noch weitere, sehr schönen Momente: Eine Gruppe von um die 100 Totenkopfäffchen direkt vor uns, ein Tukan über uns in den Baumkronen (warum hab ich nicht mehr als 200mm Brennweite?), ein Kaiman direkt neben uns und ein sehr seltener Vogel, dessen Namen ich nicht mehr weiß, der aber ausschaut wie der dicke Bruder vom Kolibri.

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Dann machten wir uns auf den Rückweg. Dabei habe ich mich dann wieder recht schnell an das Fluchen vom Vormittag erinnert und mich einmal mehr gefragt, warum ich denn das Weitwinkelobjektiv so dringend mitnehmen musste.

Da wir schon ein bisschen müde waren und uns aufgrund der bevorstehenden Dunkelheit beeilen mussten, suchten wir kleine Pfade zwischen dem Schlamm, die relativ gut begehbar waren. Somit schafften wir den Weg in nur einer Stunde. Als wir uns dem Madre de Dios näherten, hörten wir von links und rechts schon überall Donner und sahen es vereinzelt durch die Baumkronen blitzen.

Brauchen wir Stimmungsbilder?

Jetzt komme ich dann aber langsam zum Punkt der Geschichte. Als wir aus dem Dschungel heraus in die offene Landschaft traten, standen wir vor einem der schönsten und eindrucksvollsten Sonnenuntergänge, die ich je gesehen hatte.

Mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen packte ich mein Weitwinkelobjektiv aus, und suchte mir einen geeigneten Platz um diese Stimmung einzufangen, bevor es mit dem Boot wieder flussaufwärts nach Puerto Maldonado ging!!

P.S.: Das letzte Mal geflucht an diesem Tag habe ich als ich ein Foto von der Bootsfahrt machen wollte und intelligenterweise meine Gegenlichtblende im Madre de Dios versenkt habe. Also falls jemand zufällig nach Südamerika kommt: Bringt mir bitte eine Gegenlichtblende für mein Weitwinkelobjektiv mit!

ALEXANDER MARXGUT

Alex ist gelernter Mediendesigner und hat das Feld vom äußersten Westen Österreichs in Richtung Osten aufgeräumt, bevor er schließlich als Fundraiser die Bundeshauptstadt Wien rockte. Von Natur aus neugierig, und weil der Job als Werber „also eh nix Fixes“ war, jagt er heute als Fotograf im Unterholz des peruanischen Dschungels Kaimanen und Totenkopfaffen nach. Über seine fotografischen Reiseerfahrungen und -erlebnisse bloggt er auf TraveltoPic.

3 Kommentare

  1. Wunderbar lebendig erzählt, Alex. Beim Lesen kam ich auch ins Schwitzen, was bei unseren derzeitigen Temperaturen allerdings nicht schwer ist. Ich wünsche dir weiterhin viel Fotoglück!

  2. Also ich hab keine Einwände gegen Stimmungsfotos. Ich lehne nur die ab, die mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln über die Kitsch-Grenze katapultiert werden, und dabei zur Massenware verkommen, weil sie kaum noch unterscheidbar sind. Wenn ein Foto wiedergibt, wie es dort und zu diesem Zeitpunkt war, was könnte man dagegen vorbringen?

  3. Ich sehe es auch so wie du, Gottfried. Für meinen Teil bemühe ich mich immer, die Anpassungen in der Post-Produktion eher gering zu halten. Nicht, weil ich’s nicht könnte oder zu faul dazu wäre, sondern aus den von dir genannten Gründen. Sonnenaufgangsstimmung – wunderbar. Wenn aber durch das Drehen am Regler aus einer pfirsichfarbenen eine blutorangefarbene Stimmung wird … ist nicht mein Fall. Es gibt zuhauf Fotos, denen man auf den ersten Blick anmerkt, dass sie (stark!) bearbeitet wurden.

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