Gründungsmitglied und Leiter der Prager Fotoschule Österreich
Fotograf im Blick: Kurt Hörbst
Kurt Hörbst war 1995 Gründungsmitglied der Prager Fotoschule Österreich, nachdem er im Jahrgang NULL in Tschechien seine Ausbildung absolvierte. Seine Buchprojekte und Ausstellungskonzepte erhielten zahlreiche Auszeichnungen – unter anderem in Form von internationalen Artist-in-Residence-Stipendien. Kurt Hörbst unterrichtet an der FH St. Pölten und an der Prager Fotoschule Österreich. Im Interview skizziert er seinen Weg zur Fotografie und verrät, warum Authentizität für ihn die zentrale Botschaft der Fotografie ist.
Was war Deine ursprüngliche Motivation zu fotografieren? Was war Dein Ausgangspunkt?
Kurt Hörbst: Im Grunde die Langeweile. Im Alter von 18, 19 war der Zeitpunkt da, dass ich nicht genau gewusst habe, was ich mit meinem Leben anfangen soll. Und ganz naiv habe ich mir irgendwann gedacht, es wäre doch nett in die Dunkelkammer zu gehen und Bilder entwickeln zu können. Die Kreativität, das Künstlerische haben mich angezogen. Vorher habe ich eigentlich noch nie einen Film belichtet oder eine Kamera besessen. Ich glaube, ich habe davor in meinem Leben drei Bilder fotografiert, wenn überhaupt.
Also ein Quereinsteiger?
Kurt Hörbst: Ja, so ungefähr.
Die Fotografie hat für dich recht schnell eine ernsthafte Dimension angenommen. Heute fotografierst Du hauptsächlich Reportagen, Dokumentationen und Architektur.
Genau. Da war aber noch sehr viel dazwischen. Architekturfotografie im Auftragsbereich ist eher eine jüngere Entwicklung. Die ersten Jahre habe ich noch als Nachrichtentechniker gearbeitet, nebenbei fotografiert und die Ausbildung an der Prager Fotoschule gemacht. Nach dem Schulabschluss wollte ich ein größeres Projekt machen, das hat mich immer schon gereizt. Das Einzelbild war mir relativ schnell zu langweilig. Ich bin dann drei Wochen durch Polen gereist, habe Konzentrationslager besucht und fotografiert. Mein Zugang war, mir Dinge anzuschauen, wo es Menschen wirklich schlecht gegangen ist.
Mein Verleger meinte, das Thema gefällt ihm, aber es sei noch zu wenig Material. Deshalb habe ich mich vom Job freistellen lassen und habe ein Jahr vorwiegend dieses Projekt fotografiert. Konzentrationslager in Tschechien, Deutschland, Österreich, Polen. Dann habe ich noch KZ-Überlebende gesucht und porträtiert. So ist in drei Jahren das Buch Überlebt entstanden. Das war für mich ein sehr wichtiger Prozess des Sich-selber-Entdeckens, des Scheiterns, der Fehler. Die Fotografie an und für sich ist ja nicht so kompliziert, das Drumherum ist sehr aufwändig. Wenn man beispielsweise Bücher machen will, keine Erfahrung und kein Netzwerk hat. Das hatte ich natürlich überhaupt nicht, weil ich immer ein wenig exponiert im Mühlviertel gelebt habe.
Was macht für Dich ein gutes Dokumentarfoto aus?
Kurt Hörbst: Das kann ich gar nicht so beurteilen. Ich glaube, in der Fotografie muss das Gesamtpaket stimmen: Der Fotograf und das, was er macht. Wenn das schlüssig ist, authentisch ist, dann merkt man das nach einer gewissen Zeit.
Wie kann man Deiner Meinung nach zu Authentizität gelangen?
Kurt Hörbst: Das machen, was man ist und konsequent dran arbeiten. Jeder Mensch ist anders sozialisiert. Das trägt irrsinnig viel dazu bei, wie man die Welt sieht, wie man in der Welt steht. All das sollte sich auch auf die künstlerische Arbeit auswirken. Deswegen glaube ich, es gibt im Grunde keine gute oder schlechte Fotografie. Es gibt nur …. nicht stimmige oder stimmige … Menschen. Die Balance ist wichtig. Balance zwischen dem, was man ist und dem Werkzeug, das man benutzt. Hartes Arbeiten ist ebenso notwendig. Man kann sich die Dinge erarbeiten. Manche müssen das vielleicht gar nicht so hart. Ich für meine Begriffe arbeite schon sehr hart.
Bideshi Photostudio / 2008-2009
Du beschäftigst dich fotografisch auch häufig mit regionalen und kleinräumigen Themen, beispielsweise dem Bau der Schnellstraße S10. Was reizt dich an diesen Themen?
Kurt Hörbst: Das ist ein sehr persönliches Thema, weil es quasi vor der Haustüre liegt. Ich bin gern unterwegs – national, international – reise gerne und so oft wie möglich. Das was mich unmittelbar betrifft, ist mir aber ebenso wichtig. Ich reise beispielsweise nach Bangladesch, mache aber genauso Projekte in meinem Ort. Das Straßenprojekt hat damit zu tun, dass ich am Ende der Straße lebe.
Buchprojekt S10 / 2012-2016
Hattest du jemals das Gefühl, diese Themen seien zu banal oder zu klein?
Kurt Hörbst: Wenn man sich die Geschichte anschaut, dann waren diese Themen immer wieder der Grund, warum Fotografen erfolgreich wurden. Langzeitprojekte vor dem Hintergrund wo man aufwächst, wo man lebt, was man kennt, aber meistens negiert, weil es zu klein zu sein scheint, das sind die Themen, die man eigentlich ernst nehmen sollte. Es gibt ja nichts Leichteres als zum Nachbarn hinüber zu gehen um etwas zu borgen. Genauso gut kann ich ihn fragen, ob ich ihn fotografieren darf. Und der ist mindestens so interessant wie der bengalische Bauer in seiner Lehmhütte. Da gibt es kein schlechtes oder gutes Thema. Es gibt nur Themen. Die Dinge, die unmittelbar vor unserer Nase sind, müssen wir mindestens so ernst nehmen. Das habe ich vorhin mit „authentisch“ gemeint. Beispielsweise auf einer Reise zu fotografieren, zu dokumentieren ist auch okay. Aber im Großen und Ganzen bleibt es meistens substanzlos.
Wie verteilen sich bei Dir Auftragsfotografie und freie Projekte?
Kurt Hörbst: Es hat sich über die Zeit verändert. Mittlerweile sind sicher so um die 70% Aufträge und 30% freie Projekte. Zwischen 20 und 30 war es umgekehrt. Irgendwie habe ich das überlebt, man hat geringere Ansprüche, man braucht nicht soviel Geld, man ist weniger … verkrampft. Damals hatte ich auch noch keine Kinder und Familie. Im Lauf der Zeit stößt man in neue Bereiche vor, das Netzwerk wird größer. Man wird auch selbstsicherer, man verkauft sich besser und teurer, weil man merkt, es geht auch gar nicht anders. Was man ernsthaft betreibt und auch liebt, muss man auch entsprechend verkaufen. Das ist man sich letztlich selber schuldig. Meine ersten zehn Jahre sehe ich eher als Investition. Wenn ich heute Projekte mache, die jetzt unmittelbar kein Geld herein spielen – genauso wie das S10 Projekt – dann mache ich das, weil es mich interessiert. Ich weiß aber, irgendwas kommt da sicher zurück: Wenn es eine Erfahrung ist, eine Begegnung mit einem interessanten Menschen, dann ist das großartig. Es gehen aufgrund dieses Mediums permanent Türen auf. Das finde ich fantastisch. Wie im Märchen.
People_Scans / 2005 – …. (Work in Progress – nächste Station: Indien, November 2016)
Du leitest seit 2014 die Prager Fotoschule Österreich in Kefermarkt. Provokant gefragt: Hat eine Fotoschule in Zeiten von Smartphone-Fotografie eine Zukunft?
Kurt Hörbst: Eine Fotoschule hat meiner Meinung nach dann eine Zukunft, wenn sie ehrlich mit den Aspekten, die sie vermittelt, umgeht. Damit meine ich nichts Anderes, als dass man mit der Kirche im Dorf bleibt. Also: Man darf sich selbst auch nicht zu wichtig nehmen. Schulen allgemein bergen die Gefahr, dass sehr enge Grenzen abgesteckt werden. Enge Grenzen bedeuten Einschränkung. Das muss man immer wieder aufbrechen. Man darf auch nicht behaupten, diese eine Lehre, die man verbreitet, sei die einzig wahre. Diese Ehrlichkeit muss man als Schuleinrichtung immer wieder kommunizieren. Unser Weg ist ein Weg, aber es gibt auch Millionen von anderen Wegen.
Du siehst die Zukunft von Fotoschulen also nicht gefährdet?
Kurt Hörbst: Ich sehe weder die Zukunft von Fotografinnen und Fotografen noch von Fotoschulen gefährdet. Weil es ja im Grunde ausschließlich um eine persönliche Weiterentwicklung geht. Die Fotografie ist am Ende gar nicht so wichtig. Das ist Technik … erlernbar und lehrbar. Aber ich kann niemandem lehren, wie er oder sie im Leben stehen soll. Es geht darum, was derjenige oder diejenige mit dem Werkzeug oder dem Medium Fotografie macht. Das ist letztlich auch in der Auftragsfotografie ähnlich. Man muss sich sein Profil erarbeiten. Es kommt nicht so sehr darauf an, dass man umsetzt, was der Auftraggeber will, sondern auch die Person bleibt, die man ist und sich nicht anbiedert.
Gibt es ein Erfolgsrezept für Fotoschulen?
Kurt Hörbst: Was ich an Fotoschulen wichtig und sinnvoll finde, ist die Heterogenität des Lehrkörpers. Bei uns unterrichten verschiedene Lehrerinnen und Lehrer, die Fotografie unterschiedlich leben oder ausüben. Das ist meiner Meinung nach für Jeden, der die Schule besucht, ziemlich interessant. Der Eine interessiert sich mehr für Werbung, der Andere für Architektur. Jeder kann sich mitnehmen, was er will. Das ist entscheidend. Ehrlichkeit ist das Wichtigste in allen Bereichen. In Fotoschulen genauso wie im Leben als Fotografin oder Fotograf.
Wo liegen deiner Meinung nach die zukünftigen Herausforderungen für einen Fotografen?
Kurt Hörbst: Die Herausforderungen sind meiner Meinung nach immer gleich. Es geht darum, sich selbst treu zu bleiben, sich zu positionieren und dadurch … gefunden zu werden.
Vielen Dank, Kurt Hörbst, für das Gespräch!
© Alle Fotos: Kurt Hörbst
REGINA M. UNTERGUGGENBERGER
Regina wollte schon als kleines Kind Geschichten schreiben. Später, bereits tief im Berufsalltag einer Kommunikationsentwicklerin verankert, wollte sie unbedingt fotografieren. Heute macht sie beides. Sie erzählt Geschichten in Bild und Wort. Geschichten von besonderen Menschen, Plätzen und Begegnungen. Dabei legt sie stets Wert auf die innere Verbindung zu den Menschen, Landschaften und Dingen, die sie portraitiert.
Sehr schönes und interessantes Interview über Fotografie und das was sie mit uns und aus uns macht. Auch der Querschnitt durch die Aufnahmen des Fotografen: Klasse!
Vielen Dank
Lg,
Werner
Vielen Dank, Werner, für das positive Feedback. Wenn man interessante Gesprächspartner hat, dann ist das Interviewen immer eine Freude und geht fast wie von selbst. Ich finde auch, dass die Bilder das breite Spektrum von Kurt Hörbst ausgezeichnet widerspiegeln.
hallo kurtel
schön und weise gesprochen ,gratuliere
bernd limbach
Es gefällt mir sehr, dass manche Menschen, die sich für ihre Vorhaben ausreichend Zeit nehmen, einen Weg finden, der ihnen dies ermöglicht. Auch wenn es fallweise viel Zeit ist. Man merkt es den Bildern und den erwähnten Projekten an, dass sie nicht im Vorübergehen entstanden sind, sondern im Stehenbleiben – oder Niedersetzen – und Einwirken lassen.
Kein Weg ist zu klein oder banal, als das es nicht wert ist es zu gehen.
Schönes Interview mit nachvollziehbaren & interessanten Worten
zur Fotografie.
Sonnige Grüße Elke Schmitz
Danke, Elke. Ich für meinen Teil musste erst lernen, selbstbewusst zu meinen Themen und zu meinem Weg zu stehen. Und da hilft es schon, wenn man das von einem Fotografen, den man schätzt, vorgelebt wird.