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Galeriegespräch

Landscape in my mind #3

von | 15. Oktober 2015

Heute geht’s ins Finale beim Galeriegespräch über Landscape In My Mind. Hier gibt es Teil 1 und Teil 2 des Galeriegesprächs zum Nachlesen.

Raum Manipulierte Welt

Andreas Gursky (geboren am 15.01.1955 in Leipzig) ist einer der weltweit bekannteste und erfolgreichste zeitgenössische Fotograf. Er studierte ebenfalls an der Kunstakademie Düsseldorf bei Bernd Becher. Gursky unterrichte selbst ab 2010 an der Düsseldorfer Kunstakademie. Das zentrale Thema seiner künstlerischen Arbeit ist die Photographische Darstellung des Verhältnisses von Mensch und Raum. „Wirklichkeit ist überhaupt nur darzustellen, indem man sie konstruiert.“ (Andreas Gursky). Das endgültige Bild wird aus einer Vielzahl von Aufnahmen zusammengesetzt. Seine Bilder erlauben daher zwei unterschiedliche Betrachtungsmöglichkeiten: Einerseits, sehen wir aus der Ferne eine Makrostruktur – ein Anordnung von Farben, den Einsatz von Kontrasten, oft eine ornamentale Gestaltung. Andererseits, erhält man bei näher heranrücken an das Bild einen unüberschaubaren Mikrokosmos an Details. Bei seinen Bildern verwendet er dabei sehr große Bildformate (oft drei bis vier Meter hoch und bis zu 5m breit), eine bewusst gesteuerte Farbigkeit und einen gewaltigen Detailreichtum. Seine Fotografien tragen dazu bei, dass die Motive ins Monumentale und Abstrakte gesteigert werden. Seine Aufnahmen sind meist von ungewöhnlichen Standpunkten aus fotografiert, sodass eine künstliche, privilegierte Perspektive entsteht, die man normalerweise so nicht zu sehen bekommt.

Mit Montparnasse schuf Gursky 1993 eine der wichtigsten Arbeiten der neueren Kunstgeschichte. Was war das Besondere an diesem Bild? Einerseits die Größe, das Bild ist 4,20 Meter breit und fast zwei Meter hoch, so groß wie kaum eine künstlerische Fotografie zuvor und andererseits die Technik seiner Herstellung. Das Foto wurde aus zwei Aufnahmen zusammengesetzt und digital bearbeitet.

Paris, Montparnasse 1993

Paris, Montparnasse 1993. Andreas Gursky, Montparnasse (http://www.artandsignature.com/andreas-gursky-virtualitat-und-wirklichkeit/)

Mit Rhein II produzierte er eines der teuersten am Fotomarkt gehandelten Werke. Mit dem Verkauf dieses Fotos wurden 3,1 Millionen Euro erzielt. Das Bild wurde 1999 am Oberkasseler Rheinufer gemacht und anschließen digital bearbeitet.

rhein_ii_2052673aAndrreas Gursky: Rhein II, handsigniertes Original-Ausstellungsplakat. (http://yourartshop-noldenh.com/andreas-gursky-rhein/)

Ein weiteres Beispiel, seiner vielseitigen Arbeiten, sind die bei einem Madonna Konzert entstanden Aufnahmen. Gursky fotografierte verschiedene Szenen ihrer Bühnenshow und setzte sie dann zu einer einzigen Aufnahme zusammen. Das Foto, das er dann durch digitale Bildbearbeitung komponierte, gibt also nur vor, eine Momentaufnahme zu sein. Mit dieser Methode arbeitet er seit dem Aufkommen der digitalen Bildbearbeitung Anfang der 90er-Jahre.

gursky_madonna_540Andreas Gursky, Madonna I, 2001 (http://www.hausderkunst.de/agenda/detail/andreas-gursky-1/)

Bei der Ausstellung Landscape in my mind wurden zwei Werke Gurskys von der thailändischen Insel Khao Phing Kan gezeigt. Diese Insel liegt in der Bucht von Phang Nga im Süden Thailands und ist besser bekannt als James Bond Insel. Es wurde dort der James Bond Film „Der Mann mit dem goldenen Colt“, gedreht. Er vereint unterschiedliche Aufnahmen von einem Motiv zu einer Art Collage. In diesen beiden Fällen spielt er mit den Inselgruppen aus Thailand und erschafft so eine neue Welt. Gursky liebt es nämlich eine große Menge an Gegenständen zu zeigen, sei es eine große Masse an Leuten oder wie in diesen beiden Bildern eine große Anzahl von Inseln. Um diese Bilder zu machen, flog er mit einem Helikopter über die James Bond Insel. Er fotografierte analog mit einer Plattenkamera. Die Bilder wurden dann digitalisiert und stark mit Photoshop bearbeitet. So wurden ganze Inseln dazu kopiert oder gedreht und an anderer Stelle wieder eingesetzt.

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gursky5-james-bond-insel-iiAndreas Gursky, James Bond Insel II und III (http://islandsofthemind.tumblr.com/post/52866290592/james-bond-islands-andreas-gursky)

Sonja Braas (1968 in Siegen, Deutschland geboren), studierte Fotografie an der School of Visual Arts in New York. Sie beschäftigt sich in ihren Arbeiten sehr stark mit der Darstellungsweise von Naturschauplätzen. Es stehen bei ihr, anstelle lieblicher Naturfotografien, Naturgewalten und Naturkatstrophen im Vordergrund: z.B.: aufbrausende Wassermassen, tosende Wasserfälle herabstürzende Eisbrocken etc. Sie liebt auf der einen Seite die Natur mit seiner Ordnung auf der anderen Seite die Unordnung, das Chaos die Katastrophe. Bei der Ausstellung wurde ein Bild einer Überschwemmung von ihr gezeigt.

Bei diesem Bild ist bemerkenswert, dass es analog fotografiert wurde. Es wurde an diesem Bild nichts verändert, retuschiert oder digital bearbeitet. Man sieht ein Bild, mit aus größter Nähe, beeindruckende, gewaltige Situationen, so als wäre sie mit der Kamera mitten drinnen im Geschehen. So gelingt es ihr, die Kraft und Energie, dieser Naturkatastrophe, zum Ausdruck zu bringen. Trotzdem wirkt dieses Bild ein wenig gekünstelt, nicht real. Bei näherem Hinsehen erkennt man, dass diese Naturkatastrophe im Studio als Modell nachgebaut wurde mit Nebelmaschine, Überflutung etc. und anschließend abfotografiert. Das interessante bei ihren Fotos ist dabei das Spiel zwischen Realität und Fiktion.

10941416_738980436199627_2120390448409631372_nSonja Braas, Flood (http://fabian-claude-walter.com/artist/sonja-braas/works/the-quiet-of-dissolution/)

Jörg Sasse (geb. 1962 in Bad Salzuflen), studierte ebenfalls an der Kunstakademie Düsseldorf bei Bernd Becher. Seine Werke beschäftigen sich sehr stark mit dem  Verhältnis zwischen Fotografie und Realität, der Konstruktion von Erinnerung und der Manipulierbarkeit der Wirklichkeit durch die Fotografie. Er verzichtet, wie viele seiner Kollegen auf das Prinzip der Serie sondern realisiert seine Bilder als Einzelwerke.

Er sammelt Fotos von Amateurfotografen aber auch eigene Aufnahmen. Dieses Fotomaterial dient dem Künstler als Ausgangsmaterial für einen mehrmonatigen Arbeitsprozesses, seiner nicht real existierenden Landschaften. Die Bilder werden gescannt und akribisch digital am Bildschirm nachbearbeitet. Die Bilder erhalten einen neuen Bildausschnitt, Bildelemente werden hinzugefügt oder entfernt, Bilddetails werden geschärft oder unscharf gemacht, Formen und Farben werden verändert. Die Farbpalette reduziert er auf die Farben: Rot, Grün, Blau und Braun. Durch die Manipulation, erzeugen von Unschärfe und kompositorische Verschiebungen, werden die Amateurfotos in gemäldeartige Bilder umgewandelt. Die eigenständigen Bilder erhalten so eine neue ästhetische Qualität, sie spielen mit den gewohnten Sehmustern und sorgen für Irritationen und eröffnen dem Betrachter neue Projektionsflächen und Assoziationsmöglichkeiten.

joerg-sasse-2729-1Jörg Sasse: 2729, 2012. C-Print, Diasec. (http://www.mottingers-meinung.at/?p=13721)

Resümee: Mir hat die Fotoausstellung besonders gut gefallen. Es waren sehr viele der bedeuteten deutschen Gegenwartsfotografen, speziell von der Kunstakademie Düsseldorf, vertreten. Gezeigt wurde eine Bilderreise der Landschaftsfotografie, deren Bilder in thematisch eingeteilten Räumen zusehen waren. Man sah Bilder von ländlichen Gebieten wie z.B die Umgebung der oberösterreichischen Ortschaft Helfenberg von Bernd Fuchs über die Alaska „walk works“ Arbeiten von Hamish Fulton bis hin zu Aufnahmen der Megastadt Shanghai von Thomas Struth. Die Reise ging sogar bis zum Mars in die unendlichen Weiten des Weltalls. Man bekam ganz schlicht fotografierte Bilder, aber auch sehr stark digital manipulierte, ja sogar rein am Computer entstandene Bilder zusehen. Die Bildformate reichten von sehr kleinen Bildern bis zu sehr großen Bildformaten von einigen Metern. Man bekam auch einen sehr guten Eindruck über die Arbeitsweise und Ansichten der einzelnen Künstler, zum Thema Landschaft, geboten. Ich möchte dem Kunstforum Wien ein großes Kompliment aussprechen, dass mit Landscape in my mind eine großartige Ausstellung abgeliefert hat.

HELMUT DENK

Helmut ist im Zivilberuf Projektmanager. Na ja, dort kann er seine künstlerische Ader nicht so ergiebig ausleben. Deshalb genießt er es umso mehr, mit der Kamera in der Hand spazieren zu gehen, Motive zu entdecken, zu fotografieren und die Fotos – detailgenau wie er nun mal ist – dann mittels Bildbearbeitung zu verfeinern. Eine Haarsträhne, die blöderweise quer ins Gesicht rein hängt, in Photoshop pixelgenau weg zu „stempeln“? Nicht verzagen, Helmut fragen!

3 Kommentare

  1. Danke für diesen faszinierenden Einblick in eine so ganz andere Welt.
    Danke für den prägnanten Schreibstil und die wunderbaren Bilder.
    Man würde sich mehr Fortsetzungen wünschen.

  2. Da musste ich bei einigen Bildern wirklich ein zweites Mal hinsehen. Nach deinem eingehenden Galeriegespräch habe ich fast das Gefühl, selbst in der Ausstellung gewesen zu sein. Danke dafür, Helmut.

  3. Gratuliere, Helmut!

    Die Großformate verfehlen ihre Wirkung nicht, wenn man ihnen gegenübersteht. Es war eine beeindruckende Ausstellung, und Du hast sie würdig dokumentiert.

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