Marokko
Morgenland und Abendland

Sarajevo: Go West?

von | 23. November 2014

In Sarajevo, so liest man in touristischen Prospekten, lebt eine ganze Reihe von Ethnien und Religionsgruppen in friedlichem Miteinander. Juden, Orthodoxe, Muslime und Christen. Bosnier, Serben, Araber, Kroaten. Sie alle hoffen nach den Kriegswirren der 1990er Jahre auf einen Neubeginn und eine bessere, konfliktfreiere Zukunft, wollen das Zerstörte wieder aufbauen. Sarajevo, die Stadt, wo Morgenland und Abendland einander begegnen.

In Wirklichkeit lebt man eher nebeneinander als miteinander. Osten und Westen, beide spiegeln sich in der Lebenswelt des jeweils Anderen und berühren sich doch nicht. Es ist ein „leben und leben lassen“. Und viele Einheimische fragen sich, wann (nicht OB) das ethnisch-politisch-religiöse Pulverfass zum nächsten Mal in die Luft fliegt.

rmu-2-2-SarajevoSarajevo – the city, that started the 20th century. August 2014

Wieder einmal war ich die steil ansteigenden Hänge hinauf gestapft, um mich in den Hügeln rings der bosnisch-herzegowinischen Hauptstadt von den letzten Sonnenstrahlen anstubsen zu lassen. Orange mischte sich mit Blau und mit dem melancholischen Gesang der Muezzine, die die Muslime zum Gebet riefen.

Tags darauf wich meine ergriffene Stimmung der bosnisch-herzegowinischen Realität. Bei meinen Unterkuftgebern, die ich schon vor einigen Jahren kennengelernt hatte und die damals so hoffnungsfroh in die Zukunft blickten, war nichts als Resignation und Enttäuschung übrig geblieben. Darüber, dass Politiker ihre Energie lieber in nationalistische Diskussionen investieren als geeignete Rahmenbedingungen für einen wirtschaftlichen Aufschwung zu schaffen. Darüber, dass auch der Westen dieses Land schon wieder vergessen zu haben scheint.

Nachdenklich verließ ich am nächsten Morgen Sarajevo – für dieses Mal. Was bleibt, ist die Gewissheit, dass ich zurückkehre.

REGINA M. UNTERGUGGENBERGER

Regina wollte schon als kleines Kind Geschichten schreiben. Später, bereits tief im Berufsalltag einer Kommunikationsentwicklerin verankert, wollte sie unbedingt fotografieren. Heute macht sie beides. Sie erzählt Geschichten in Bild und Wort. Geschichten von besonderen Menschen, Plätzen und Begegnungen. Dabei legt sie stets Wert auf die innere Verbindung zu den Menschen, Landschaften und Dingen, die sie portraitiert.

2 Kommentare

  1. Das sind sehr interessante Betrachtungen, leider geben sie kaum zu Optimismus Anlass. Die leichten Deformationen im Spiegelbild stehen also auch symbolisch für die Befindlichkeit der ansässigen Bevölkerung? Was sich wohl hinter den beiden Fenstern verbirgt?

    Das Titelbild gefällt mir sehr, mit den beiden Metall-Farben und der akzentuierten Schärfe-Führung.

  2. Welches Gebäude es genau ist, weiß ich offen gestanden nicht. Gleich daneben ist jedenfalls eine Bank … und die Moschee ist die Bakr-babina Moschee an der Miljacka. Unweit der Vjecnica und der Lateinischen Brücke, wo Franz Ferdinand und seine holde Gattin ins Jenseits befördert wurden.

    Da ich eine starke gefühlsmäßige Bindung zu dieser Stadt habe, macht mich die Perspektivenlosigkeit des Alltags in Sarajevo auch traurig und ratlos. Ganz zu pessimistisch würde ich es dennoch nicht sehen, es ist gewiss eine Frage von Generationen, bis sich die Dinge dort merklich verändern. Gut, wenn wir Geschichte insgesamt betrachten, was sind schon hundert Jahre …

    Obwohl es von Reinhard an der PFSÖ zumindest zur Diskussion gestellt wurde, habe ich die Kernschärfe auf die im Spiegelbild deformiert scheinende Moschee gelegt. Und du lieferst auch gleich die Erklärung dafür, warum ich es getan habe. Das „Wiggl-Woggl“ sollte die Kernaussage sein ….

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