Marokko
Illustration

Robert Frost: The Road Not Taken

von | 5. Dezember 2014

Woran erinnern sich Patenkinder, wenn sie erwachsen sind? An die Spielekonsole, das i-Phone, die Markenklamotten, das coole Burton Snowboard, das sie von uns in jenem Jahr zu Weihnachten geschenkt bekommen haben? Möglicherweise.

Wenn der Duft von Spekulatius und glühweingeschwängerter Luft den Adventmarkt durchströmt, wenn salbungsvolle Reden mit dem Prädikat „besinnlich“, penetrante Billigleuchten, Wham und hysterische Menschen, die durch Einkaufszentren pflügen als ginge es um ihr Leib und Leben, Jahresendzeitstimmung verheißen, ist für viele Paten der alljährliche Augenblick der Wahrheit gekommen, die Frage, womit man denn die süßen Kleinen unterm Tannenbaum beglücken könnte. Nachdem sich zunächst keine zündende Geschenkidee einstellt, wird Rücksprache mit den Eltern des Patenkindes gehalten. Nein, i-Phone hätte er ja schon letztes Jahr bekommen. Ach ja, ich erinnere mich dran. Und Laptop hätte ihm der Opa im September zum Geburtstag geschenkt. Einen Eishockeyschläger vielleicht!? Aber ist das nicht zu billig und zu wenig? Der kostet ja nur so um die 30 Euro. Braucht er/sie sonst irgendwas? Nein, eigentlich nicht.

Nun bin ich in der glücklichen Lage, die Tante von zwölf Nichten und zehn Neffen zu sein. Ganz abgesehen von Leistungen aller Art, die ja in unserer Zeit und in unserem Kulturkreis wahnsinnig wichtig sind, zeichnet alle 22 Eines aus: Sie haben ein gutes Herz. Zwei von ihnen sind meine Patenkinder, die ich konsequent zu Geburtstagen und Weihnachten mit Zeit beschenke. Ein gemeinsamer Schitag oder Kinoabend, ein Konzertbesuch, ein Ausflug zum Schifliegen nach Planica/Slowenien, gemeinsam Langzeitbelichtungen machen, in den Klettergarten und anschließend zu Mc Donalds gehen …

Dieses Jahr beschenke ich meine Patenkinder und die älteren Nichten und Neffen mit einer Illustration des Gedichts „The road not taken“ von Robert Frost. Es geht in dem Text um Entscheidungen, um das Abwägen von verschiedenen Wegen, die gleichwertig erscheinen … und auch um die Überlegungen und Zweifel, die uns bei der Entscheidungsfindung begleiten.

THE ROAD NOT TAKEN (ROBERT FROST)

Two roads diverged in a yellow wood,
And sorry I could not travel both
And be one traveler, long I stood
And looked down one as far as I could
To where it bent in the undergrowth;

Then took the other, as just as fair,
And having perhaps the better claim,
Because it was grassy and wanted wear;
Though as for that the passing there
Had worn them really about the same,

And both that morning equally lay
In leaves no step had trodden black.
Oh, I kept the first for another day!
Yet knowing how way leads on to way,
I doubted if I should ever come back.

I shall be telling this with a sigh
Somewhere ages and ages hence:
Two roads diverged in a wood, and I--
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.

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Die Idee zu diesem Zeitgeschenk entstand an der Prager Fotoschule Österreich im Fach Illustration. Wir waren angehalten, eine literarische Vorlage zu illustrieren. Ich suchte mir dazu ein Gedicht aus, das mir persönlich viel bedeutet. Erst im Laufe meiner Überlegungen wurde mir klar, dass das Grundthema für meine Nichten und Neffen gerade brandaktuell ist.

Sei es die Wahl des Kindergartens, die Wahl der Schule, die Wahl der weiteren Ausbildung, die Wahl des Wohnorts, die Wahl des Partners – die Gesellschaft hat zum Scheitern ein einigermaßen gestörtes Verhältnis, was uns wiederum Entscheidungen auf die lange Bank schieben lässt.

Die Illustration sollte, so die Vorgabe der Lehrer, nicht zu direkt den Gegenstand bzw. das Kernthema des Textes abbilden. Als Beispiel: Zu Gottfried Benns „Astern“ eine Aster zu fotografieren, wäre zu oberflächlich. Grundvoraussetzung, um einen Text zu illustrieren ist also, das Kernthema zu begreifen, zu verstehen. Erst im nächsten Schritt machte ich mir Gedanken darüber, wie ich das Thema darstellen könnte, ohne zu direkt, zu platt zu wirken. Meiner Ausbildung als Kommunikationswissenschafterin geschuldet, war mein eigener Anspruch, mit mehreren Bildern eine Geschichte, eine Szene zu erzählen, die beispielhaft für den Inhalt des Textes steht.

Meine Nichte Rebecca – die Hauptdarstellerin der Illustration – und ich, wir haben einander Zeit geschenkt, als wir einen Nachmittag an den Gleisen und Bahnsteigen herum turnten. Nicht möglicherweise, sondern sicher ist die Erinnerung daran ebenso wie das haptische Ergebnis ein bleibender Wert.

REGINA M. UNTERGUGGENBERGER

Regina wollte schon als kleines Kind Geschichten schreiben. Später, bereits tief im Berufsalltag einer Kommunikationsentwicklerin verankert, wollte sie unbedingt fotografieren. Heute macht sie beides. Sie erzählt Geschichten in Bild und Wort. Geschichten von besonderen Menschen, Plätzen und Begegnungen. Dabei legt sie stets Wert auf die innere Verbindung zu den Menschen, Landschaften und Dingen, die sie portraitiert.

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