Gedanken über die Nächstenliebe
Das Produkt „Weihnachten“
Eigentlich sollte das ein Beitrag werden über gelebte Weihnacht, die Herbergssuche von Maria und Josef. Der Beitrag sollte ausdrücken, dass ich viele Parallelen zu unserer heutigen Zeit sehe. Nachdem ich aber mit meinen Recherchen begonnen hatte, ließ ich die Idee wieder fallen. Ich erkannte, dass es keinen weiteren Text mehr braucht, der darauf hinweist, wie wichtig es ist, meinen Mitmenschen mit Respekt und Achtung zu begegnen – unabhängig von ihrem Aussehen, von ihrer Herkunft, ihrem Einkommen und ihrer Glaubensrichtung.
Jenen, denen es bis jetzt schwerfällt, ihre Vorurteile und ihr Misstrauen gegenüber Fremden abzulegen, wird auch ein weiterer Text nicht dabei helfen, Vertrauen zu fassen. Und alle anderen, für die es selbstverständlich ist, jemandem in Not eine helfende Hand zu reichen, benötigen kein weiteres Aufmerksammachen mehr. Ein Text zu diesem Thema wäre also in jeder Hinsicht sinnlos.
Mein ursprünglicher Plan war, mit meiner Kamera die Stimmung auf den Adventmärkten festzuhalten – Weihnachtsschmuck, geschmückte Tannenzweige, Kerzenlicht, dampfende Punschbecher, Hände, die sich über Feuer wärmen, … ganz nach dem Motto „gelebte Weihnacht“. Diese Bilder hätten auch perfekt zu meinem ursprünglichen Text gepasst – Motive, die jedem vertraut sind und von denen es schon unzählige gibt. Also genau so verzichtbar wie der Text.
Aber so ganz lässt mich dieses Thema dann doch nicht los und ich stellte mir die Frage, warum es mich so beschäftigt. Aus Angst? Davor, dass sich die Geschichtsschreibung wiederholt? Aus Unverständnis, dass manche meiner Mitmenschen aufgrund von Nationalität, Glaube, Aussehen, … einen Unterschied machen, wem Hilfe zukommen soll? Oder vielleicht sogar aus Ärger über mich selbst, dass ich meinen Hintern nicht hochbekomme und aktiver werde um zu helfen? Wahrscheinlich ein wenig von allem.
Fast noch wichtiger als die Frage nach dem Warum ist diese: Was kann ich für mich verändern, um dazu beizutragen, ein bisschen mehr Menschlichkeit zu verbreiten? Vielleicht bei der nächsten Gelegenheit, wenn jemand seinen Unmut über die Flüchtlingssituation kundtut und unreflektiert Pauschalurteile von sich gibt, nicht verlegen schweigen, sondern dazu Stellung beziehen. Darauf hinweisen, dass eine solche Einstellung sowohl einzelnen Punkte der Menschenrechte widerspricht als auch mit den christlichen Grundwerten nicht vereinbar ist. Oder wenn ich mir das nächste Mal in einer Bäckerei ein Stück Mehlspeise kaufe, daran zu denken, ein zweites Stück mit zu nehmen, um es später jemanden auf der Straße zu schenken, der offensichtlich nicht die Möglichkeit hat, sich das selber zu kaufen. Mich bei unserer Rot-Kreuz-Stelle im Ort informieren, wo ich mich melden kann, um Menschen, die eine neue Bleibe suchen und mit unseren Kultur und Sprache nicht vertraut sind, zu helfen.
Ich kann auch besser darauf achten, mich nicht durch Werbung dazu verleiten zu lassen, Nächstenliebe durch materielle Dinge zu ersetzen! Wahrscheinlich würde ich allein schon damit viel bewirken, häufiger einfach mal ein Lächeln zu verschenken. Aber vor allem sollte ich darauf achten, Weihnachten weniger als ein Produkt zu sehen, das sich im Dezember (und meistens schon viel früher) gut verkaufen lässt, sondern mich bemühen, es in seinem ursprünglichen Sinne wahrzunehmen – als Fest der Nächstenliebe und unabhängig von den Jahreszeiten danach leben.
Wie ich feststelle, habe ich viele Möglichkeiten dazu beizutragen, meine Welt ein bisschen freundlicher, wärmer und menschlicher zu gestalten – ich muss einfach nur Augen, Ohren und Herz offen halten.
Und damit werde ich nicht bis zum 31. Dezember warten, um es dann in einem Neujahrsvorsatz zu fassen. Ich beginne am besten gleich jetzt damit!
NICOLE NEUNDLINGER
Nici trifft hauptsächlich Bauchentscheidungen. Deshalb macht sie oft ungewollte Umwege oder weiß manchmal nicht so genau, wo Beginn und Ziel ihrer Reise ist. Aber das stört sie nicht. Damit ein Bild für sie „Gültigkeit“ hat, muss es nicht technisch perfekt sein, sondern es muss Gefühle transportieren. Diesen – ihren ganz individuellen Weg – will sie unbedingt weiter gehen und immer wieder neu finden.
Du hast Recht, liebe Nicole. Beim Lesen deines Artikels können sich sicher die meisten Menschen an die eigene Nase fassen. Vielleicht schreibst du irgendwann darüber, wie sehr dich dein eigener Post verändert hat, wie nachhaltig die Veränderung war. Vielleicht ist es leichter, als ich mir das gerade vorstelle, eine wohlwollende, achtsame Haltung dauerhaft beizubehalten. Ein gutes Ziel ist es auf jeden Fall! Vielen Dank für die guten Gedanken!
LG, Conny
Hallo Conny!
Ich glaube grundsätzlich ist so eine Umgangsform miteinander nicht schwierig! Aber schafft man es auch, wenn man jemanden nicht sympathisch findet? Ich glaube, wenn einem das gelingt, dann knn man schon stolz auf sich sein! Ich wünsche dir noch eine entspannte Adventzeit mit vielen schönen Momenten!
Liebe Grüße
nicki
Liebe Nicki,
du sprichtst meiner Meinung nach das wichtigste Thema überhaupt an: Eigenverantwortung!
Aus einer gewissen Bequemlichkeit und Selbstverständlichkeit heraus, erwarten heute viele Menschen in unserem Kulturkreis, dass es die Politik, die Behörden, der Kanzler, die Natur, Gott, der Teufel oder sonst wer gefälligst richten soll. Wenn ich in diversen Schweinsdiskussionen zu diesem Thema dann nachfrage, „Und was genau trägst du persönlich zu einem respektvollen menschlichen Miteinander bei?“, wird meist elegant ein Themenwechsel vollzogen.
Mein Beitrag ist beispielsweise, innerhalb meiner sehr großen Familie, in der es durchaus recht unterschiedliche Meinungen gibt, die Diskussion, die Konfrontation anzunehmen und auf kultivierte und sachliche Art zu führen. Eine meiner Nichten frage mich: Tante, warum tust du dir diese Diskussion an, es bringt ja doch nichts? Meine Antwort war: Ich werde es nicht zulassen, dass innerhalb meiner Familie öffentlich und unreflektiert gegen Menschen gehetzt wird. Das klingt zunächst banal. Am Ende des Tages, finde ich, ist es aber gar nicht so banal. Und wenn viele Menschen es so halten würden, hätten wir vielleicht nicht so eine furchtbar ungepflegte Diskussionskultur, wie sie heute opportun ist.