Kunst im öffentlichen Raum
Grüss Göttin an der Innanna
In Tirol erregt wieder einmal ein scheinbar harmloser Gruß auf einem Schild die Gemüter. Sechs Jahre lang wurden Autofahrer bei Kufstein mit „Grüß Göttin“ in Tirol willkommen geheißen. Dieser Gruß steht in pinkfarben umrahmten Großbuchstaben auf einem schwarzen Schild. Nun ist die Genehmigung für dieses Projekt der Tiroler Künstlerin Ursula Beiler ausgelaufen. Immer wieder sorgte dieses Schild für emotionale und auch sicherheitstechnische Diskussionen. Es wurde befürchtet, dass Autofahrer abgelenkt sein könnten und dadurch Unfälle verursacht würden.
Auf der Suche nach einem neuen Standort hat sich Innsbrucks Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer nun bereit erklärt, das Schild in Innsbruck bei der Mühlauer Brücke aufzustellen. In Innsbruck sind dann zwei Kunstwerke von Ursula Beiler im öffentlichen Raum zu bewundern.
An der Innbrücke steht bereits der Schriftzug „Innanna“, der im Rahmen des Förderprogramms für Kunst im öffentlichen Raum „Stadtpotenziale 2014“ unterstützt wurde. Die Künstlerin beschäftigt sich bei beiden erwähnten Projekten intensiv mit Sprache, und wie Sprache die gesellschaftliche und insbesondere die individuelle Sichtweise beeinflussen. Dabei visualisiert sie in ihren Projekten, dass viele Begriffe und alltägliche Floskeln eine männliche Konnotation aufweisen und die weibliche Seite ausblenden. Offensichtlich trifft sie dabei einen sensiblen Nerv, wie zahlreiche z. T. sehr emotionale Reaktionen auf die Übersiedlung des Schildes nach Innsbruck zeigen. Die Tiroler Tageszeitung befüllt in ihrer Ausgabe vom 3.2.2016 die gesamte Rubrik „Lesermeinung“ mit Leserbriefen zu diesem Thema.
Mir scheint, dass Ursula Beiler mit diesen – oberflächlich betrachtet – sehr einfachen und klaren Installationen den Sinn von „Kunst im öffentlichen Raum“ genau trifft. Sie schafft es, Diskussionen auszulösen. Und zwar zu Themen, bei denen ich überzeugt war, dass diese schon lange ausdiskutiert gewesen wären. Damit bringt sie die Gedankenwelt von Menschen zum Vorschein, und zeichnet die Seele zumindest von Teilen der Gesellschaft nach, womit wir beim Thema dieses Blogs angelangt sind: seelegrafieren!
Bei der Installation „Innanna“ geht es um die Idee, dass der Fluss Inn ursprünglich die weibliche Bezeichnung „Innanna“ trug. Der Begriff ist abgeleitet von den Oberländer Innzuflüssen mit den weiblichen Namen Trisanna (Paznaun) und Rosanna (Stanzer Tal). Bemerkenswert ist, dass die Installation auf der Innbrücke platziert ist und zwar wenige Meter entfernt von einem anderen Kunstwerk, das in Innsbruck vor Jahren ebenfalls für Aufregung sorgte: der nackte Christus von Rudi Wach. Dieses Kruzifix durfte 20 Jahre nicht öffentlich aufgestellt werden und konnte nur im Innenhof des Volkskunstmuseums betrachtet werden. Erst 2007 veranlasste die damalige Bürgermeisterin Hilde Zach, dass das Kreuz in der Mitte der Innbrücke aufgestellt wird.
Bereits im Sommer habe ich die beiden Objekte fotografiert, weil sie für mich gute Beispiele dafür sind, wie wichtig es ist, dass Politik und Verwaltung Kunst im öffentlichen Raum zulassen und unterstützen. Denn Kunst bringt es durchaus zustande, dass Fragen aufgeworfen werden, die Menschen zu Diskussionen anregen.
KLAUS SPIELMANN
Als ausgebildeter Geograf und Geoinformatiker beschäftigt sich Klaus insbesondere mit räumlichen Phänomenen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um natürliche, durch den Menschen gestaltete oder auch virtuelle Räume handelt, auf die er sich als Geograf, Raumplaner, Geoanalytiker, Kartograf oder Fotograf einlässt.
Wieder etwas sehr Interessantes erfahren und dazu gelernt – vielen Dank, Klaus!
Danke für deine profunden Ausführungen.
Ich denke, dass die Freiheit der Kunst auch darin besteht, dass sie sich nicht immer an wissenschaftlich korrekten Vorgangsweisen und Erkenntnissen orientieren muss. Ich glaube, dass dieses Spiel mit Wahrheit und Fiktion gerade den Reiz ausmacht.
Ich gebe zu, in dem Fall tue ich mir damit etwas schwer. Sie beruft sich ja selbst auf den Input eines Wissenschaftlers, nämlich eines Ethnologen. Frau Beiler gibt den Sachverhalt – wenn ich ihren Ausstellungstext lese – als Fixum aus. Dabei hätte man dem Leser, wenn man die ganze Geschichte im Konjunktiv oder als Frage formuliert, die Wahl überlassen können, inwieweit er dem Wahrheitsgehalt nachspürt. Ihr Kunstwerk wäre damit nicht weniger sinn- und wertvoll. Ich denke, das ist auch eine Frage der persönlischen „Schmerzgrenze“, denn im Herzen bin und bleibe ich Wissenschaftlerin; selbst bei meinen eigenen Bildbearbeitungen halte ich das Ausmaß der Fiktion, sprich der Bearbeitung, in Grenzen, weil es mir irgendwie widerstrebt.
Lieber Klaus, den Kommentar zu deinem Beitrag muss ich in mehrere Ebenen unterteilen.
Zunächst einmal gebe ich dir vollkommen Recht, es ist wichtig, dass Kunst im öffentlichen Raum ein Anliegen von Politik und Verwaltung sein sollte. Dein Wort in Gottes Ohr!
Also wenn ich von Kiefersfelden Richtung Heimat gefahren bin, fand ich das Begrüßungsschild „Grüß Göttin“ einen echten Hit. Mutig. Unkonventionell. Keine Ahnung, was man hier dagegen haben kann. Keine Ahnung, wer hier warum eine Sicherheitsdebatte vom Zaun meint brechen zu müssen. Gut, dass das Begrüßungsportal dank Eurer Bürgermeisterin in Innsbruck eine neue Bleibe gefunden hat.
Die Idee von Frau Beiler, einem Kunstwerk die Vermännlichung der Sprache als Konzept zugrunde zu legen, finde ich grundsätzlich super. Denn im Kern hat sie mit ihrer Annahme Recht. Und das, obwohl ich nicht zu der Fraktion gehöre, die auf die Barrikaden gegangen ist, als es um die Töchter in der österreichischen Bundeshymne ging. Das ist eine andere Baustelle.
Fachlich und sachlich ist ihre Theorie, der Inn sei früher mal weiblichen grammatikalischen Geschlechts gewesen, allerdings nicht haltbar, das sage ich als promovierte Sprachwissenschaftlerin. Sie bezieht ihre Annahme auf einer Querverbindung zu den weiblichen Namen der Innzuflüsse Rosanna und Trisanna, und beruft sich auf den Austausch mit einem Ethnologen. Entschuldige schon, warum diskutiert sie diese Frage nicht mit einem Linguisten? Warum zieht sie nicht die historischen Belege dieses Namens, deren es ausreichend gibt, heran? Das wäre ja gerade so, als ob ich mir für Installationsarbeiten einen Tischler als Experten ins Haus holte.
Beispiel: In meiner eigenen Mundart sagen wir „der“ Semmel. Grammatikalisch richtig ist aber „die“ Semmel. Nur weil eine Gruppe von Menschen den männlicher Artikel gebraucht, kann ich ja jetzt nicht hergehen und sagen, das ist richtig. Möglicherweise gab es mal ein paar Menschen oder eine Talschaft, die von der Innanna sprachen. Nur der Austausch mit einem Ethnologen ist mir hier aber zu wenig Beleg. Mag sein, dass ich mich dem wissenschaftlichen Grundsatz der Wahrhaftigkeit zu sehr verpflichtet fühle und eh alles nicht so heikel ist. Ich erlebe es leider aber immer wieder, dass Sprache von fachfremden Menschen dazu benutzt wird, irgendwelche kruden Theorien zu untermauern, wie es ihnen gerade in den Kram passt. Die Almen im Lesachtal, am Karnischen Kamm, wurden einst von Italien aus bewirtschaftet. Davon zeugen auch noch einige Flurnamen. Irgendwelche Wahnsinnigen stricken daraus: „Das Lesachtal wurde zuallererst von den Romanen besiedelt“.
Der Inn, leitet sich von keltisch ‚en‘ bzw. ‚enios‘ ab, was soviel wie ‚Wasser‘ bedeutet. In der römischen Kaiserzeit ist er als Ainos oder Aenus erwähnt, in späteren Jahrhunderten als Enus oder Oenus. Nun kann man noch darüber diskutieren, ob der Inn früher mal ein Neutrum war, das legt beispielsweise das Nibelungenlied nahe, wo der Fluss als ‚daz In‘ erwähnt ist. Nicht einmal aus den ältesten historischen Belegen könnte ich aber unter Berücksichtigung sämtlicher Sprachgesetze, Lautumwandlungen etc. irgendwo ein Femininum ableiten.
Fazit: Hübsche Idee, künstlerisch ganz toll umgesetzt, dadurch einem wichtigen Thema eine Plattform gegeben. Von der faktischen Grundlage her allerdings vollkommen falsch.
Danke Frau Unterguggenberger,
das war jetzt richtig spannend für mich.
Hubert Lepka
Vielen Dank, Herr Lepka.