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Von Schilf, Seekühen und Rohrwölfen

von | 31. August 2016

Lass dich nicht von Stürmen brechen,
sei so wie das Schilf im Wind!
Böen beugen ganze Flächen,
die nicht buckeln vor Gewalten,
nein, sich an das Wissen halten,
dass sie Teil des Ganzen sind. (Ingo Baumgartner)

Im Februar dieses Jahres hast Du mit mir einen Winterspaziergang am Neusiedler See unternommen. Nun lade ich Dich, lieber Leser, ein, mich noch einmal zu begleiten. Ich werde mit Dir nicht zu einem der überfüllten Strände pilgern, wie es unzählige Sonnenbrand-Süchtige tun. Wir sehen uns den Schilfgürtel an, der den See fast vollständig umkränzt.

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Der Schilfgürtel am Neusiedler See ist nach dem Donaudelta mit rund 180 km² die zweitgrößte zusammenhängende Schilffläche in Europa. Allein in Österreich misst sie an die 100 km² und erreicht auf Höhe von Donnerskirchen eine Breite von bis zu fünf Kilometern.

Das bietet Lebensraum für wirbellose Tiere wie Kleinkrebse, Wasserschnecken, den Europäischen Laubfrosch und die Ringelnatter, für Mäuse wie die Zwerg-, Sumpf-, Wasserspitz- und die Nordische Wühlmaus, und ist Kinderstube für Fische wie Hecht, Wels und Kaulbarsch.

Einer Vielfalt an Singvögel, Sumpfhühnern, Enten und Graugänsen ist der Schilfgürtel Brutplatz; die Kolonien der Silber-, Grau- und Seidenreiher findet man im Bereich des Nationalparks.

Schilf ist imstande, das Sonnenlicht dreimal effektiver als vergleichbare Pflanzen zu nutzen. Es nimmt mehr CO2 auf und gibt mehr Sauerstoff ab. Also kann man den Schilfgürtel des Neusiedler Sees mit Fug und Recht als grüne Lunge der Region bezeichnen.
Unglaublich ist die Wuchsleistung dieses Süßgrases – in nur 6 Wochen wird es in den Monaten Mai bis Juni über 2 m hoch.

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Schilf wird es so lange geben, solange sich die Erde dreht, lautet ein altes Sprichwort im Nordburgenland. Weniger gut bestellt ist es um die Schilfschneider. Wohl gibt es noch ein paar Landwirte und auch einige professionelle Schilfschneider, jedoch habe dem Vernehmen nach niemand mehr diese Tätigkeit als Gewerbe angemeldet. Es sind übrigens nur 10 – 15% des Schilfgürtels, die geerntet und weiter verarbeitet werden.

Die sich durch den Gürtel ziehenden Passagen heißen „Schluichten“. Um sie offen zu halten, muss auch hier regelmäßig geschnitten werden.

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In früheren Zeiten mussten die Arbeiter auf dem gefrorenen See bei eisigen Temperaturen mit meist unzulänglichen Geräten ihre mühsame Arbeit verrichten, diese abgehärteten Männer nannte man die Rohrwölfe.

Als Errungenschaft der 1970er Jahre gilt die Seekuh: ein Raupenfahrzeug mit großen Reifen, das auf Eis und in bis zu 40 cm tiefem Wasser eingesetzt wird. Neben anderen Geräten wie speziellen Kettenraupen-Mähern und handgeführten Balken-Mähern findet die  Seekuh auch heute noch Verwendung.

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Dank seiner schall- und wärmedämmenden wie wasserabweisenden Eigenschaften, die Beständigkeit gegen Feuchte und Fäulnis garantieren, eignet sich Schilf unter anderem als Baustoff für Passivhäuser.

Für die wirtschaftliche Nutzung wird vorzugsweise einjähriges Schilf geschnitten.  Altes Schilf ist aufgrund seiner Struktur und unter dem Einfluss der Verwitterung von schlechter Qualität.

Um einer drohenden Verschilfung entgegen zu wirken, im Sinn eines aus ornithologischen Gründen eingeführten „Schilfmanagements“, wurde von der burgenländischen Landesregierung 2006 ein Biomasse-Heizkraftwerk in Neusiedl am See errichtet. Hier findet altes Schilf Verwendung.

Das Schnittgut wird auf bestimmten Plätzen zu „Schilfmandln“ gebunden und zum Trocknen aufgestellt, woraus ein für das Burgenland typisches Landschaftsbild resultiert.

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98% des Schilfs gehen in den Export – in die Niederlande, nach Norddeutschland, Frankreich und Dänemark. Die bekannten Reetdächer in Norddeutschland sind aus Schilf vom Neusiedler See gefertigt!

Mit Bildern der versandfertigen Schilfpakete verabschiede ich mich dieses Mal und hoffe, Dein Interesse an diesem wunderbar vielseitigen Naturparadies geweckt zu haben. Ein Ausflug ins Burgenland zahlt sich aus …

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GABRIELA MAINX

Gabriela hat mit der Fotografie den Wandel vom oberflächlichen Schauen zum intensiven Sehen vollzogen. Denn wer sehen kann, kann auch fotografieren. Sehen lernen, das kann allerdings dauern, sagt Gabriela. Ihr ehrgeiziges Ziel als ambitionierte Freizeit-Fotografin formuliert Robert Bresson: Mach sichtbar, was vielleicht ohne dich nie wahrgenommen worden wäre.

3 Kommentare

  1. Liebe Gabi, da hatte Kurt Hörbst im Interview, das hier auf dem Blog veröffentlicht ist, sicher Recht: Dass uns das, was uns unmittelbar umgibt, gleich wichtig sein sollte wie das, was wir in der Ferne erleben und entdecken. In deinen Bildern spüre ich sehr viele Nähe und Erfülltheit darüber, in dieser fabelhaften Region zu leben. Mein fotografischer Favorit: Das Bild der Schilfmandln. Wow! Und meiner Meinung nach bringt das Hochformat das Motiv noch mal besser zur Geltung.

  2. Sehr schöne Bilder aus dem Burgenland! Die Schilfmandln faszinieren mich.

  3. Liebe Gaby,
    meines Wissens hast Du keinen Auftrag zur Volksbildung, aber Du erfüllst ihn hervorragend. Gut recherchiert, reich bebildert, erfreut Dein Beitrag Auge, Gemüt und Geist gleichermaßen. Sehr gelungen!

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